Energiewende geschlechtergerecht
Die zunehmenden ökologischen, sozialen und geopolitischen Probleme, die mit der Nutzung fossiler und nuklearer Energieträger einhergehen, vom Klimawandel, über den Abbau von Uran und die Lagerung des "Atommülls" bis hin zu Konflikten wegen knapper werdender Ressourcen machen eine Transformation der Energieversorgung unumgänglich.
Nach der Katastrophe in Fukushima wurde die Energiewende zu einem der wichtigsten Projekte der Bundesregierung. Ihr Ziel: weg von einer nicht-nachhaltigen, das heißt einer fossilen und risikobehafteten Energieversorgung, hin zu einer zukunftsorientierten, CO2-armen, nachhaltigen Energieversorgung, die auf Gerechtigkeit basiert. Erreicht werden soll dies durch den Ausbau der erneuerbaren Energien (der Anteil soll bis 2030 auf mindestens 50 Prozent, bis 2040 auf mindestens 65 Prozent und bis 2050 auf mindestens 80 Prozent steigen), durch Energieeinsparung und effizientere Nutzung der Energie (Reduktion des Energieverbrauchs bis 2020 um 20 Prozent und bis 2050 um 50 Prozent gegenüber 2008).
Dieses Ziel wird nicht allein mit technischen Innovationen zu erreichen sein. Es bedarf vielmehr eines Partizipationsprozesses, der alle Teile der Bevölkerung, Frauen wie Männer, Alte wie Junge, Migrant_innen wie "Bio-Deutsche" einbezieht.



Gender-disaggregierte Daten sind im Energiebereich nach wie vor sehr rar. Aber auch die wenigen Daten, und vor allem die stetig wachsende und zunehmend ausdifferenzierte Anzahl von Erkenntnissen aus der qualitativen Forschung weisen auf Genderaspekte hin, die bei der Gestaltung und Umsetzung der Energiewende zu berücksichtigen sind (siehe dazu Literaturreview Gender & Klima, Kap. 2.5.1).
Versorgungsökonomie/Sorgearbeit
Die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung, die sich in beruflichen Präferenzen, aber auch in der zugeschriebenen Zuständigkeit für Versorgungsarbeit widerspiegelt, hat Auswirkungen auf die Höhe des Energieverbrauches, auf den Bedarf (wofür wird die Energie gebraucht) und alle damit verbundenen Themen. So sind in Haushalten immer noch eher die männlichen Haushaltsmitglieder für die technischen Energiefragen (z.B. Entscheidungen über und Reparaturen von Heizung und Warmwasserbereitung) zuständig, während die verhaltensbedingten Energieeinsparungen eher in den Zuständigkeitsbereich der weiblichen Haushaltsmitglieder fallen. Dass mit dieser Aufteilung eine Bewertung einhergeht, kann als bekannt vorausgesetzt werden (s. Genderdimension Androzentrismus).
Politische Interventionen zur effizienten Energienutzung im Haushalt können sich auf die Verteilung der Aufgaben auswirken. Jede Verhaltensänderung beeinflusst zwangsläufig die Arbeitslast der Bewohner*innen; abhängig davon, wie die Haushaltsaufgaben und andere notwendige Arbeiten zwischen den Geschlechtern zugewiesen bzw. wie sie verteilt sind, können diese Mehrarbeiten entweder genderneutral sein, oder aber überproportional auf Frauen zurückfallen.
Erwerbsökonomie
Relativ gut untersucht ist die Beschäftigung von Frauen und Männern in der Energiebranche, vor allem bezüglich ihrer Geschlechterparität. Daten zu Anteilen und Arbeitsbereichen von Frauen in der Energiewirtschaft (im öffentlichen Dienst, der Industrie, in Verbänden und Nichtregierungsorganisationen) inklusive der Frauenanteile in Führungspositionen werden relativ regelmäßig zusammengestellt und zeigen die deutliche Unterrepräsentanz von Frauen im Energiesektor insgesamt und vor allem auf Führungsebenen.
Die Einkommens- und Besitzverhältnisse haben nicht nur Einfluss auf den Energieverbrauch – je höher das Einkommen, desto höher auch der Energieverbrauch –, sondern auch auf die Möglichkeiten, sich neuere, effizientere Energietechnik leisten zu können. Arme Bevölkerungsgruppen, darunter überproportional viele Frauen (Alleinerziehende und Alte) wohnen tendenziell in schlechter gedämmten Mietwohnungen und haben als Mieter*innen auch keinen Einfluss auf Energieeffizienz am Gebäude (z.B. Wärmedämmung). Gleichzeitig haben die ärmeren Gruppen weniger Möglichkeiten, durch finanzielle Beteiligung an Erneuere Energien-Anlagen von diesen zu profitieren.
Symbolische Ordnung (Querschnittsdimension)
Geschlechteridentitäten und Geschlechterrollen wirken sich auf unterschiedliche Konsummuster auch im Energiebereich aus und spiegeln sich vor allem in den Einstellungen, Präferenzen und dem Umgang mit Risiken wider. So zeigen Frauen ein vergleichsweise höheres Risikobewusstsein, was sich auch in der Ablehnung von Risikotechnologien wie z B. bei der Atomkraft niederschlägt. Ferner vertrauen sie weniger auf technische Lösungen für ökologische Probleme oder die Klimakrise und sind eher bereit, umwelt- / klimaschädliches Verhalten und Lebensstile zu verändern. Entsprechend schätzen sie die Verantwortlichkeit und den Einfluss jedes Einzelnen höher ein. So finden auch mehr Frauen als Männer das Ziel der Energiewende richtig und unterstützen auch deren Umsetzung entsprechend stärker.
Aber sozio-kulturelle Normen und Verhaltensmuster werden nicht nur innerhalb von Haushalten umgesetzt, sondern auch von den Produktherstellern bei der Vermarktung von Produkten aufgegriffen oder – eher implizit – bei vielen Energiesparinformationen.
Definitions- und Gestaltungsmacht auf Akteursebene
Die öffentliche wie private Energiewirtschaft ist eine der letzten deutlichen Männerdomänen. Je weiter oben auf der Einflussebene der Unternehmen, desto geringer der Frauenanteil. Dies liegt zum einen daran, dass der Zugang zu diesem Bereich häufig über technische-Ausbildungsgänge verläuft, in denen Frauen unterrepräsentiert sind. Auch handwerkliche Bereiche, die für den Energiebereich relevant sind, wie z. B. Bauhandwerk, Elektro-, Gas-, Wasser-Installation, sind entsprechend männlich dominiert. Auf Grund dieser Unterrepräsentanz haben Frauen planerisch, konzeptionell und politisch weniger Einflussmöglichkeiten in diesem extrem machtvollen Wirtschaftssektor, ihre Einstellungen, Präferenzen und Lösungsoptionen werden marginalisiert.
Institutionalisierter Androzentrismus/Definitionsmacht
Deutlich zeigt sich der Androzentrismus bei der Festlegung und Bewertung von Lösungsansätzen im Energiebereich: technische Lösungen, Maßnahmen zur Energieeffizienz werden stark präferiert und hoch bewertet, während Maßnahmen im Bereich der Suffizienz – also der Verminderung des Energiekonsums durch Verhaltensänderungen – weder besonders geschätzt, noch adäquat gefördert oder belohnt werden. Wen wundert’s, dass erstere eher männlich konnotiert sind, letztere eher weiblich.
Körper, Gesundheit, Selbstbestimmung und Privatsphäre (‚Intimacy’)
Schließlich sei noch erwähnt, dass es im Energiebereich durchaus auch biologische Aspekte gibt. Dies gilt vor allem für die höhere Komforttemperatur bei Frauen. Ursachen dafür liegen im Kreislaufsystem, im geringeren Anteil an Muskelmasse bei Frauen, aber auch die Hormone scheinen hier eine Rolle zu spielen. Untersuchungen zeigen, dass sich eine höhere Raumtemperatur auch positiv auf die kognitive Leistung von Frauen auswirkt, die bei niedrigeren Temperaturen deutlich abnimmt. Bei Männern, deren kognitive Leistung bei niedrigeren Temperaturn am höchsten ist, zeigt sich dagegen nur eine sehr geringe Abnahme der Leistungen bei höheren Temperaturen. Eine Orientierung am Wärmebedarf von Frauen (das gilt sowohl für die Raumheizung im Winter wie auch für die Kühlung im Sommer) ist deshalb im Sinne der Leistungsfähigkeit beider Geschlechter zu empfehlen.
Frauen* für die Energiewende – Solarselbstbau
Die erneuerbare Energieversorgung ist ein Schlüsselelement für eine umweltverträgliche, nachhaltige Zukunft. Möglichst alle Menschen sollten daran partizipieren, damit die Transformation gelingt. Aktuell sind die Erneuerbaren Energien stark von Männern dominiert. Umso wichtiger, Räume zu schaffen, in denen Frauen* und FLINTA* (Frauen, Lesben, Inter-, Nonbinär-, Trans- und Agender-Personen), die im Bereich erneuerbare Energien aktiv werden wollen, miteinander lernen, Neues ausprobieren und sich vernetzen können. Die Workshop-Reihe „Frauen* hoch hinaus! Solar-Selbstbau und Perspektiven für Frauen*“ motiviert an Photovoltaik interessierte Frauen*, den Bau von Solaranlagen in Vor-Ort-Workshops unter Anleitung in die eigenen Hände zu nehmen. Die Online-Angebote vertiefen das Hintergrundwissen und aktivieren dazu, eigene Perspektiven anhand der persönlichen Stärken und Interessen zu entwickeln: z. B. eigene PV-Projekte zu planen und umzusetzen, Know-How in Energiegenossenschaften oder ähnlichen Organisationen einzubringen oder Öffentlichkeitsarbeit für erneuerbare Energien zu machen. Jede kann ihre Rolle in dem Feld finden und das Projekt unterstützt dabei.
Informationen zu den Workshops: Frauen* hoch hinaus! Solar-Selbstbau und Perspektiven für Frauen*
Kohleausstieg und Strukturwandel am Beispiel Lausitz: Der blinde Fleck Geschlechtergerechtigkeit
Welche Auswirkungen hat der durch den Ausstieg aus der Kohleverstromung erforderliche Strukturwandel in der Lausitz auf Frauen und die Geschlechterverhältnisse? Ein Thema, das angesichts des sehr männlich geprägten Arbeitsbereichs im Braunkohleabbau selten angesprochen wird. Somit bleiben die Auswirkungen auf Frauen und ihre Rolle im Strukturwandelprozess oft unsichtbar. Untersuchungen aus den USA und Großbritannien zeigen allerdings,dass Frauen in der Vergangenheit von Strukturwandelprozessen in Kohleregionen anders betroffen waren als Männer. Aus Deutschland fehlten bisher entsprechende Studien.
Seit 2015 forscht nun das TRAWOS-Institut der Hochschule Zittau/Görlitz zur Situation von Frauen in der Lausitz und ihren Verbleibschancen. Aus der Forschung und den Aktivierungs- und Beteiligungsprozessen von und für Frauen entstand die Plattform F wie Kraft. Seitdem widmet sich das Projekt der Unterstützung, Vernetzung und Ansprache von Frauen. Entstanden ist dabei das Statuspapier "Frauen als Wirtschaftsfaktor für die Lausitz. Perspektiven von Frauen auf den Strukturwandel in der Lausitz", das die Besonderheiten, Potenziale und Hindernisse für Frauen in diesem Transformationsprozess beschreibt.
Eine Schlussfolgerung: "Wenn politische Maßnahmen an die verschiedenen Bedürfnisse der Menschen angepasst sind, kann die Energiewende eine Chance für die Gesellschaft sein, bestehende ungerechte Machtverhältnisse zu überwinden, anstatt diese Strukturen zu reproduzieren."
Hingewiesen sei hier auch auf die Veröffentlichung "Strukturwandel als Demokratiefrage. Der Lausitzer Kohleausstieg, ein Ausstieg aus der Transformationsblockade?", die unter anderem auch auf die Rolle der Abwanderung von Frauen aus der Region bei den Transformationsblockaden eingeht.
Finnland: Geschlechterunterschiede bei der Wahrnehmung von Atomenergie so hoch wie nie
In Finnland steigt die Zustimmung zur Nutzung von Atomenergie, liest man immer wieder. Das hat unser Interesse geweckt, sich die Daten mal genauer anzuschauen. Und siehe da: in keinem Land ist der Unterschied zwischen Männern und Frauen bei der Zustimmung (oder Ablehnung) höher: 33 Prozent!
Da heißt, Frauen nehmen Atomenergie als Energiequelle zu 44 Prozent als positiv wahr, Männer zu 77 Prozent. Das resultiert in einem Durchschnitt von 60 Prozent - das ist viel, aber eben stark dominiert von der männlichen Einschätzung.
Eine englische Zusammenfassung der Untersuchung findet sich hier, allerdings ohne die nach Geschlecht aufgeschlüsselten Daten. Die gibt es nur in der Finnischen Fassung - aber wozu gibt es Online-Übersetzungn.
Dringender denn je: Mehr Frauen in der Bürgerenergie
Der Landesverband Erneuerbare Energien NRW (LEE NRW) und die World Wind Energy Association (WWEA) haben mehrere Empfehlungen erarbeitet, um den Frauenanteil in Bürgerenergiegesellschaften schnellstens zu erhöhen.
Wie wichtig die Energiewende ist, zeigt der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, der Politik und Bevölkerung die massive Abhängigkeit von fossilen Energien hat bewusst werden lassen. Damit die Energiewende deutlich an Fahrt aufnimmt, ist es unverzichtbar, hierzulande alle Bürgerinnen und Bürger mitzunehmen.
Das ist aber längst noch nicht der Fall. So beträgt in Nordrhein-Westfalen der Frauenanteil bei den Bürgerenergiegenossenschaften lediglich 29 Prozent. Um diesen Missstand schnellstens zu ändern, haben der Landesverband Erneuerbare Energien NRW (LEE NRW) und die World Wind Energy Association (WWEA) mehrere Empfehlungen für mehr „Frauen-Power“ beim Umbauprozess der heimischen Energiewirtschaft erarbeitet. Mit diesen zehn Handlungsempfehlungen beenden LEE NRW und WWEA das zweijährige Forschungsprojekt „Mehr Frauen für die Bürgerenergie“.
Die komplette Studie ist hier abrufbar.
Die Studie mit den Handlungsempfehlungen wird auf den 10. Windenergietagen NRW vorgestellt, die der LEE NRW am 17. und 18. November in Bad Driburg veranstaltet.
Aus Fehlern lernen: Frauen im Bergbau. Das Beispiel Australien
Die Energiebranche ist bekanntermaßen eine besonders männerdominierte MINT-Branche, die gerade massiv expandiert. Deshalb muss sichergestellt werden, dass diese Expansion nachhaltig – und das heißt auch geschlechtergerecht von statten geht. Lernen kann und muss sie aus den Fehlern des Bergbaus und der Industrie für fossile Brennstoffe in Australien.
Australische Daten aus dem Jahr 2021 zeigen, dass im Bergbausektor auf den unteren Ebenen ein relativ ausgeglichenes Geschlechterverhältnis besteht, mit einem Frauenanteil von etwa 40 % der 20- bis 27-Jährigen. Dieses Geschlechterverhältnis bleibt jedoch nicht lange bestehen: ab dem Alter von 28 Jahren beginnt der Frauenanteil kontinuierlich zu sinken, in der Altersgruppe der 56- bis 59-Jährigen sind weniger als 15 % der Beschäftigten Frauen. Diese Zahlen haben sich in den letzten 15 Jahren kaum verbessert.
Gründe dafür, dass Frauen die Bergbauindustrie verlassen, liegen u.a. in den sexuellen Übergriffen und Belästigungen, die in dieser Branche schon fast an der Tagesordnung sind: 28 % der Frauen bei Rio Tinto – einem der größten australischen Bergbauunternehmen – wurden in den letzten 5 Jahren sexuell belästigt oder wurden Opfer einer tatsächlichen oder versuchten Vergewaltigung oder eines sexuellen Übergriffs. Untersuchungen ergaben, dass sexuelle Belästigung in der gesamten Branche weit verbreitet ist, begünstigt durch Machtungleichgewichte und noch verschärft durch hohen Alkoholkonsum. Frauen, die versuchten, Belästigungen und Übergriffe anzuzeigen, wurden schikaniert und bedroht oder verloren ihren Arbeitsplatz. Ebenso erschweren die systematischen Vorurteile gegen Frauen es ihnen, beruflich voranzukommen. Diese Vorurteile wirken sich negativ auf alle Entscheidungen aus, die über Frauen im beruflichen Kontext getroffen werden, einschließlich Einstellung, Beförderung, Auszeichnungen, Wert ihrer Arbeit.
Die Forschung zeigt, dass ein ausgewogeneres Geschlechterverhältnis zu besseren wirtschaftlichen Leistungen und Ergebnissen sowie zu mehr Innovation führt. Das setzt aber voraus, dass die Branche aus den genannten Fehlern lernt und einen sektorweiten, systematischen Wandel in Gang setzt.
Zusammengefasst aus The Conversation
Towards a gender-just energy transition in the European Union
Die Bachelorarbeit von Emily Victoria Grönefeld, Universität Münster und University of Twente, geht der Frage nach, inwieweit die Nationalen Energie- und Klimapläne (NECP) eine geschlechtergerechte Energiewende in der Europäischen Union befördern. Analysiert werden in der Arbeit die NECPs von Schweden, Deutschland und Rumänien aus einer ökofeministischen Perspektive.
Frühere Forschungen haben gezeigt, dass die Umwelt- und Energiepolitik in der EU geschlechtsblind ist, wodurch die bestehenden Ungleichheiten und Machtstrukturen im Energiesektor und in den Umweltinstitutionen verstärkt werden. Der Energiesektor ist für über 40 % der CO2-Emissionen in der EU verantwortlich, weshalb der Übergang zu erneuerbaren Energien eine entscheidende Rolle bei der Eindämmung des Klimawandels spielt. Damit der Übergang für alle Menschen inklusiv ist und alle gleichermaßen davon profitieren, müssen die geschlechtsspezifischen Unterschiede beim Zugang zu und Verbrauch von Energie berücksichtigt werden. Aber keiner der drei NECP erwähnt Geschlechteraspekte in seinen Zielen für den Übergang. Folglich fördern die analysierten NECPs auch keinen geschlechtergerechten Übergang in der Europäischen Union.
Das FEMM-Committee, der Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter des Europäischen Parlaments, lässt aktuell eine Gender-Analyse des Fit für 55-Pakets der EU durchführen und Empfehlungen entwickeln. Eine mögliche Empfehlung könnte sein, die Mitgliedsstaaten dazu aufzufordern, in ihre NECPs eine Genderperspektive zu integrieren.
Forschungsprojekt zur Geschlechterverteilung im Bereich der Bürgerenergie
Es gibt Indikatoren dafür, dass Frauen an der Umsetzung der Energiewende weniger beteiligt sind. Obwohl Frauen in der Klima- und Umweltbewegung sehr aktiv sind, deuten einige Zahlen darauf hin, dass sie bei der technischen Umsetzung der Energiewende und als Investorinnen in Projekten der erneuerbaren Energien unterrepräsentiert sind. Dies gilt auch für das weibliche Engagement in der Bürgerenergie, trotz der meist relativ niedrigen Schwelle für Beteiligung.
Die World Wind Energy Association (WWEA) und der Landesverband Erneuerbare Energien Nordrhein-Westfalen (LEE NRW) haben daher ein gemeinsames Forschungsprojekt (gefördert durch die Stiftung Umwelt & Entwicklung NRW) gestartet, um die Situation systematisch zu analysieren und schließlich Wege aufzuzeigen, wie die tatsächliche Rolle von Frauen in der Bürgerenergie gesteigert werden kann.
Weitere Informationen
Windenergie: eine Geschlechterperspektive
Die Windenergie bleibt - wie andere Teile der globalen Energiewirtschaft auch - weitgehend von Männern dominiert. In einer Studie hat IRENA, die Internationale Agentur für erneuerbare Energien, die Präsenz von Frauen entlang der Wertschöpfungskette der Windenergie nachverfolgt. Basierend auf einer Umfrage unter mehr als tausend Einzelpersonen und Organisationen werden die Vertretung von Frauen, die geschlechterbezogene Politik und die Wahrnehmung der geschlechtsspezifischen Vorurteile in der Branche untersucht. Die Ergebnisse zeigen unter anderem:
- Frauen machen nur 21% der Beschäftigten in der Windenergie aus (basierend auf Umfrageantworten), verglichen mit 32% bei erneuerbaren Energien insgesamt und 22% in traditionellen Energiebranchen wie Öl und Gas.
- Die Wahrnehmung von Geschlechterrollen und kulturell-sozialen Normen ist ein großes Hindernis für die Gleichstellung der Geschlechter.
- Die wahrgenommenen Lohnunterschiede sind in der Windenergie geringer (40%) als in der Gesamtwirtschaft (68%).
- Europa und Nordamerika weisen mit 26% den höchsten Frauenanteil in der Windenergiebranche auf.
Der Report zum Download
Sind Energiegenossenschaften frauenfreundlicher als andere Energieunternehmen?
Sind Energiegenossenschaften frauenfreundlicher als andere Energieunternehmen? In vielen Ländern hat die politische und finanzielle Unterstützung des Übergangs zu erneuerbaren Energiesystemen in den letzten zwei Jahrzehnten die Gründung neuer Stromgenossenschaften gefördert. Genossenschaften zeigen als Sozialunternehmen in ihrem Handeln Verbundenheit mit Werten wie Gerechtigkeit und Gleichberechtigung, so dass sie möglicherweise als frauenfreundliche Organisationen wahrgenommen werden. Bisher wurden in der Europäischen Union jedoch nur wenige empirische Untersuchungen zu diesem Thema durchgeführt. Die von Zofia Lapniewska durchgeführte Pilotstudie schließt diese Lücke. Sie eruiert, ob sich die Geschlechterperspektive in den Erklärungen und Maßnahmen der europäischen Energiegenossenschaften widerspiegelt und ob diese Perspektive mit der Größe der Genossenschaften, der gewählten Regierungsführung und den kulturellen Determinanten der Region / des Landes zusammenhängt. Die Studie zeigt, warum die Gleichstellung der Geschlechter für Stromgenossenschaften von Nutzen ist und wie die Forschungsergebnisse für Praktiker, Forscher und politische Entscheidungsträger nützlich sein können.
Stand der Forschung zu Gender und Energie
Die Genderaspekte der Energiepolitik werden auch im Literaturreview des Forschungsprojektes „Interdependente Genderaspekte der Klimapolitik“ dargestellt. Erstaunlicherweise war das Thema Energie das mit den meisten Fachpublikationen mit Genderperspektive. Das entsprechende Kapitel im Bericht befasst sich mit Haushaltsenergie (u.a. Smart Home Technologien, geschlechterdifferenzierter Wärmebedarf, energetische Sanierung), Effizienz und Suffizienz, Energiearmut und der Beschäftigung/Partizipation von Frauen und Männern im Energiebereich. Der Review kann hier heruntergeladen werden. Das Energiethema befindet sich im Kapitel 2.5.1 (ab Seite 40).
Die Rolle der Frauen und das Ausmaß der Gleichstellung bei der Energiewende in der EU
Auf Ersuchen des FEMM-Ausschusses (European Parliament's Committee on Women's Rights and Gender Equality) wurde eine Studie in Auftrag gegeben, die die Rolle der Frau bei der Energiewende in der Europäischen Union und das Ausmaß der Gleichstellung der Geschlechter in diesem Prozess insbesondere im Bereich der erneuerbaren Energien untersucht. Identifiziert wurden geschlechtsspezifische Ungleichheiten, durch die Frauen daran gehindert werden, sich an der Energiewende und dem beruflichen Aufstieg in diesem Bereich zu beteiligen. Auch wurde bewertet, wie sich die Transformation zu einem nachhaltigen Energiemodell auf die Gleichstellung der Geschlechter und die Rolle von Frauen als Akteure des Wandels auswirkt. Die Studie verweist auf bewährte Verfahren zur Überwindung der Hindernisse für die Gleichstellung der Geschlechter bei der Energiewende und schließt mit Empfehlungen an die Entscheidungsträger in der EU und auf nationaler Ebene. Dass es nach wie vor an geschlechterspezifischen Daten im Energiebereich mangelt, kritisiert ein europäisches Forschungsprojekt, dessen Ziel es ist, ein tieferes Verständnis für individuelle und kollektive energiebezogene Entscheidungen und Verhaltensweisen liefern soll. Diese Daten wären aber für politische Kampagnen und Interventionen hochgradig relevant.
Netzwerke
- Women of Wind Energy Deutschland
Women of Wind Energy Deutschland e.V. setzt sich dafür ein, dass die Windbranche für Frauen ein attraktiveres Arbeitsfeld wird und ihre Einstiegs- wie Karrierechancen steigen.
- Hypatia - Frauennetzwerk Erneuerbare Energien und Cleantech e.V.
Hypatia ist ein gemeinnütziger Verein und fördert den Austausch zwischen Frauen, die in der Erneuerbare Energien und Cleantech Branche tätig sind oder tätig werden wollen.
- ENERGIA - International Network on Gender and Sustainable Energy
ENERGIA ist ein internationales Netzwerk für Gender und nachhaltige Energien. Es ist in Afrika und Asien tätig und arbeitet dort mit regionalen und nationalen Gender- und Umweltnetzwerken.
- Women in Energy, Climate and Sustainability (WECS)
WECS ist eine öffentliche Stiftung, die gegründet wurde, um die Gleichstellung der Geschlechter zu fördern und den Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft in Europa und weltweit zu ermöglichen.
- Women in Green Hydrogen
Women in Green Hydrogen ein internationales Netzwerk, das die Sichtbarkeit von im Bereich des grünen Wasserstoffs tätigen Frauen erhöhen will.
- Women of New Energies e.V. (w.one)
Women of New Energies ist ein deutsches Netzwerk, das Frauenkarrieren in der Renewables Branche unterstützt und Mentoringprogramme zum Brancheneinstieg anbietet.
Ausgewählte Publikationen
- Studie zur Bürgerenergie in Deutschland und Japan: Anteilseigner*innen vorwiegend männlich
Sowohl in Deutschland als auch in Japan liegt der Anteil der Anteilseignerinnen unter 30%, in Deutschland liegt er bei 29%, die 27% der Anteile halten. Darüber hinaus zeigt sich, dass nicht nur Frauen, sondern auch Menschen mit Migrationshintergrund oder mit geringerem Einkommen bislang in der Bürgerenergie eher unterrepräsentiert sind.
Die Befragung ergab auch, dass nur ein kleinerer Teil der Bürgerenergiegesellschaften – ob in Deutschland oder Japan – bislang damit begonnen hat, aktiv die Beteiligung von Frauen zu erhöhen. Dies wird jedoch als wichtiger Anknüpfungspunkt zur besseren Umsetzung der Energiewende betrachtet. Zur Studie von der World Wind Energy Association (WWEA) und dem Landesverband Erneuerbare Energien NRW (LEE NRW). - Frauen.Energie.Wende!
In der 2020 erschienenen Publikation von Women Engage for a Common Future (WECF) und dem Bündnis Bürgerenergie (BBEn) wird die Verknüpfung von Geschlechtergerechtigkeit und enkeltauglichem Energiesystem dargestellt. Sie zeigt strukturelle Widerstände auf, die vor allem Frauen in Deutschland bewältigen müssen, um ein erneuerbares und gerechtes Energiesystem herbeizuführen. In Interviews mit Expert*innen wird auch ein Licht auf die systematischen Barrieren geworfen, die uns daran hindern, ein dezentrales, demokratisches und gerechtes Energiesystem aufzubauen.
Die Publikation richtet sich an alle Akteur*innen in Wirtschaft, Politik und im Zivilbereich, die die Themen Gender und Energie bisher nicht in Zusammenhang gebracht haben. - Energiearmut als multiple Deprivation vor dem Hintergrund diskriminierender Systeme
Eine der wenigen Publikationen im Energiebereich, die über die Ausweisung von Geschlechterunterschieden hinausgeht und aus einer intersektionalen Perspektive argumentiert, betrachtet ‚Energiearmut als multiple Deprivation vor dem Hintergrund diskriminierender Systeme‘. Die Autorin erläutert, unter welchen strukturellen Bedingungen die bisher im Vordergrund der Debatte stehenden Ursachen (Energieeffizienz, Einkommen, Energiepreise) zu Deprivationslagen in der Gesellschaft beitragen. „Politiken, die eine bestimmte Zielgruppe adressieren ohne Intersektionen zu antizipieren, werden alle jene Personen nicht erreichen, die weiteren Diskriminierungen ausgesetzt sind und dadurch verhindern, dass die Maßnahme greift“ (Seite 64) und stellt den Mehrwert des Intersektionalitätsansatzes für die Beschäftigung mit Energiearmut und -vulnerabilität dar.
Großmann, Karin (2017). Energiearmut als multiple Deprivation vor dem Hintergrund diskriminierender Systeme. In: Großmann, Karin, Schaffrin, André & Smigiel, Christian (Hg.). Energie und soziale Ungleichheit. Zur gesellschaftlichen Dimension der Energiewende in Deutschland und Europa. Wiesbaden: Springer VS, 55–78. - Wir haben die Hälfte der Bevölkerung vergessen! Die Signifikanz von Gender bei der energetischen Sanierung in Dänemark
Mit ihrer anthropologischen Feldstudie deckt Tjørring das ‚Doing Gender‘ in Beratungs- und Entscheidungsprozessen über energetische Sanierungen in dänischen Haushalten auf. Gender erwies sich dabei als signifikanter Faktor, da energetische Sanierung unterschiedlich von Männern und Frauen wahrgenommen wird, in Abhängigkeit von ihren unterschiedlichen Alltagspraxen. Aber auch weil durch die kulturellen Normen traditioneller geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung im Haushalt Energie dem männlichen Interessens- und Aufgabengebiet zugeschrieben wird. Beratung zu energetischer Sanierung adressiert entsprechend dieser Zuschreibungen vorrangig Technik, Verbindungen zu Alltagspraxen fehlen.
Tjørring, Lise (2016). We forgot half of the population! The significance of gender in Danish energy renovation projects. Energy Research & Social Science 22/:115–124.
- Women, energy and economic empowerment. Applying a gender lens to amplify the impact of energy access
Von Deloitte University Press (2015)
Diese Publikation beschäftigt sich mit dem Zusammenhang zwischen dem Zugang und der Verfügbarkeit von Energie und dem wirtschaftlichen Empowerment von Frauen. Sie widmet sich Fragen wie unter welchen Vorraussetzungen Geschlechterungleichheiten mit dem Zugang zu Energie abnehmen und wie Entwicklungsprojekte im Energiebereich gestaltet sein müssen, um Frauen zu nutzen und ihren Bedürfnissen zu entsprechen.
Der Artikel ist hier verfügbar.
- EIGE-Studie
2012 hat genanet eine Studie für das Europäische Gender Institut bereitgestellt. Darin wurde (u.a.) der Stand der Forschung zu Gender und Energie in den 27 EU-Mitgliedsstaaten recherchiert. Daten liegen demnach vor zu Genderaspekten des Energiekonsums, der Einstellungen und Präferenzen bezüglich Energieproduktion und Energiepolitik, den Auswirkungen energiepolitischer Maßnahmen und natürlich zur Beteiligung von Frauen und Männer an den entsprechenden Entscheidungen.
- Energiekonsum von Frauen und Männern im europäischen Vergleich
Der Energieverbrauch von Haushalten wurde in den vergangenen Jahrzehnten in vielen Studien untersucht, Unterschiede zwischen den Haushalten wurden darin vor allem durch Einkommensunterschiede erklärt. Genderstudien zum Konsumverhalten zeigen, dass Männer mehr Fleisch essen als Frauen und längere Entfernungen mit dem Auto zurücklegen, was tendenziell zu einem höheren Energiekonsum bei Männern führt.
Diese Studie von 2010 berechnet nun den Energieverbrauch anhand des Konsumverhaltens von Frauen und Männern in vier Europäischen Ländern (Deutschland, Norwegen, Griechenland und Schweden) indem Single-Haushalte betrachtet werden. Signifkante Unterschiede im Energieverbrauch wurden in zwei Ländern gefunden, Griechenland und Schweden. Die größten Unterschiede finden sich hier in den Bereichen Transport, auswärts essen, Alkohol und Zigaretten, wo Männer wesentlich mehr verbrauchen als Frauen.
Die Ergebnisse sind relevant für politische Entscheidungen vor allem auf EU-Ebene, wo sie zwei politische Themen betreffen: Die Umsetzung des Gender Mainstreaming in allen Aktivitäten und Politiken sowie die Verringerung des Energieverbrauchs.
Räty R. and Carlsson-Kanyama A. 2010: Energy consumption by gender in some European countries.
- Frauen aktiv gegen Atomenergie - Wenn aus Wut Visionen werden
Aus immer wieder aktuellem Anlass möchten wir Sie auf das Buch "Frauen aktiv gegen Atomenergie - wenn aus Wut Visionen werden" hinweisen, das genanet anlässlich des 20. Jahrestages der Tschernobyl-Katastrophe herausgegeben hat. Es hat an Aktualität nichts verloren.
- Renewables2004: Genderaspekte bei erneuerbaren Energien
Die Ergebnisse der Internationalen Konferenz für Erneuerbare Energien, der "Renewables2004" in Bonn sind weiterhin wichtige Diskussiongrundlagen für das Themenfeld Gender und Energie.
In unserem Infopool finden Sie zahlreiche für die Konferenz von genanet erarbeitete Dokumente, darunter das gemeinsam mit ENERGIA verfasste "Thematic Background Paper Nr. 12" zu Gender und Erneuerbaren Energien und ein Hintergrundpapier zu Gender und Erneuerbare Energien in industrialisierten Ländern.
Zusätzlich können Sie unseren Konferenzbericht herunterladen.
- Frauen und Energie im Norden
Das Hintergrundpapier "Ein anderer Blick - Frauen und Energie im Norden" wurde von Ulrike Röhr von genanet für einen internationalen Workshop im Vorfeld von CSD9 (UN Kommisssion für nachhaltige Entwicklung) und dem Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung in Johannisburg 2002 erstellt. Für die drei Themenschwerpunkte Energie, Transport sowie Informationen zur Entscheidungsfindung wurden Papiere jeweils aus der Nord- und aus der Südperspektive erarbeitet.
Die deutsche Version des Papiers finden Sie hier zum download, die englische Version ist hier verfügbar.
- Neue Forschungsergebnisse über geschlechtsspezifische Unterschiede in der Energiepolitik
Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass es geschlechtsspezifische Unterschiede beispielsweise bei der Präferenz von Technologien zur Stromproduktion sowie bei der Einschätzung der Dringlichkeit der Energiewende gibt. Aber macht es einen Unterschied, ob Frauen oder Männer energiepolitische Entscheidungen treffen? Eine neue Studie von Dr. Cornelia Fraune ist genau dieser Frage auf den Grund gegangen und konnte anhand von Untersuchungen in Deutschland und den Vereinigten Staaten zeigen, dass sich weibliche Abgeordnete durchaus in energiepolitischen Debatten und bei Abstimmungen anders positionieren als ihre männlichen Kollegen. Der gesamte Artikel "The politics of speeches, votes, and deliberations: Gendered legislating and energy policy-making in Germany and the United States" (2016) ist hier verfügbar. - Geschlechtsspezifischer Beteiligung am Ausbau der Erneuerbaren Energien
Zwei Jahre forschte die Uni Siegen zum Thema geschlechtsspezifische Auswirkungen der Energiewende in Südwestfalen (GAES) (wir berichteten in unserem Newsletter September 2013).
In ihrem Artikel Gender matters: Women, renewable energy, and citizen participation in Germany diskutiert die Projektleiterin Dr. Cornelia Fraune die Ergebnisse des Forschungsprojektes.
Die Studie zeigt auf, inwiefern der soziale, kulturelle und politische Kontext die Beteiligung von Bürger_innen am Ausbau der erneuerbaren Energien bedingt und sich dementsprechend Männer und Frauen in unterschiedlichem Maße an Bürgerenergie-Anlagen beteiligen. Laut der Studie sind im Durchschnitt 20% der Beteiligten an Windenergieanlagen weiblich, bei Solaranlagen liegt dieser Anteil im Durchschnitt bei 30%. Darüber hinaus engagieren sich Frauen deutlich weniger als Männer in der Geschäftsführung dieser Anlagen. Wird allerdings die durchschnittliche finanzielle Beteiligung der Anteilseigner_innen pro Anlage betrachtet, ist kein wesentlicher Unterschied zwischen den Geschlechtern festzustellen. - Grünstrom-Patriarchat
Grünstrom-Patriarchat: Warum ist die Energiewende eigentlich so männlich? lautet der Titel eines Beitrags von Anna Gauto in der Wirtschaftswoche-Green (eine der Themenseiten der Wirtschaftswoche-online). "Schon in der U-Bahn geht es los. In den Zügen Richtung Messe München an einem Morgen in diesem Sommer ist die Testosteronkonzentration so hoch, dass man meint, das Heulen von Prärie-Wölfen zu hören. Grund für den Aufzug ist die Intersolar, die weltweit größte Branchenmesse zum Thema Sonnenenergie, Herzschlag der Energiewende. Es könnte aber auch irgendein anderer Energie-Kongress sein."
Es scheint, dass zumindest die geringe Beteiligung von Frauen im Energiebereich an Aufmerksamkeit gewinnt - wie auch der Kongress "Frauen in der Energiewirtschaft" zeigte, der am 4. und 5. November 2014 in Berlin stattfand.
- Geschlechtsspezifische Studie zeigt "Verbraucherinteressen der Energiewende"
Trotz aller Widrigkeiten stehen die Verbraucher_innen in Deutschland hinter den Zielen der Energiewende: 82% befürworten den Ausstieg aus der Atomenergie und einen verstärkten Ausbau dezentraler erneuerbarer Energien. Zudem fordern (63%) der 1.227 Befragten einer stärkere Einbeziehung der Verbraucherinteressen. Das zeigt eine repräsentative Studie, die das Meinungsforschungsinstitut forsa im Auftrag des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) durchgeführt hat.
Die Studie zeigt jedoch auch geschlechtsspezifische Unterschiede: Frauen haben sich bisher nur zu 24% mit dem Thema Energiewende auseinandergesetzt, Männer hingegen zu 41%. Dies könnte daran liegen, dass sich Frauen weniger informiert fühlen. Dennoch finden deutlich mehr Frauen die Energiewende als Ziel (völlig) richtig (Frauen zu 86%, Männer zu 77%).
Skeptisch blicken Verbraucher und Verbraucherinnen jedoch auf die Art und Weise der Umsetzung: Die Zahl der Kritiker (48 Prozent) übertrifft die der Unterstützer (40 Prozent), wobei die Zahl der weiblichen Unterstützerinnen hierbei deutlich höher ist (44%, männliche Unterstützer 37%). Die Hälfte der befragten Frauen findet auch, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien zu langsam voran geht und obwohl sie derzeit eher persönliche Nachteile (42%) in der Energiewende sehen, glauben sie an die langfristigen Vorteile (57%).
Mehr Informationen und die komplette Studie als PDF finden sie hier.
- Energiewende aus der Genderperspektive
Die Genderdimensionen der Energiewende gewinnen an Aufmerksamkeit. Sei es durch Forschungsprojekte, wie dem zu geschlechtsspezifischen Auswirkungen der Energiewende in Südwestfalen (GAES), das aktuell an der Uni Siegen durchgeführt wird. Oder dem des Wuppertal Instituts, das sich mit Energiesuffizienz im Hinblick auf Strategien und Instrumenten für eine technische, systemische und kulturelle Transformation zur nachhaltigen Begrenzung des Energiebedarfs befasst und dabei auch die Synergien und Hemmnisse für die Verankerung gendergerechter Energiesuffizienzansätze auslotet.
Wir freuen uns sehr darüber, dass nach so vielen Jahren des Bohrens und Drängens endlich etwas vorangeht und verweisen in diesem Zusammenhang noch einmal auf die Grundlagen, die wir dafür in der Studie für das Europäische Gender Institut bereitgestellt haben. Dort wurde (u.a.) der Stand der Forschung zu Gender und Energie in den 27 EU-Mitgliedsstaaten recherchiert. Daten liegen demnach vor zu Genderaspekten des Energiekonsums, der Einstellungen und Präferenzen bezüglich Energieproduktion und Energiepolitik, den Auswirkungen energiepolitischer Maßnahmen und natürlich zur Beteiligung von Frauen und Männer an den entsprechenden Entscheidungen. - Geschlechtsspezifische Belastungen und Risiken von Atomkraftwerken in der Bundesrepublik Deutschland
Ein Zusammenhang zwischen Wohnortnähe zu einer Atomanlage und Leukämie bei Kindern unter fünf Jahren wurde bereits festgestellt. Bisher fehlt aber ein differenzierter Blick auf die Belastungen von Männern und Frauen. DIE LINKE fragte 2012 nach den bislang unterbelichteten spezifischen Risiken durch Beschäftigung in einem Atomkraftwerk und Wohnortnähe. Gefragt wird zudem nach der Verantwortung der Bundesregierung für deutsche Staatsbürger/innen, die im französischen AKW Cattenom beschäftigt sind.
Die Kleine Anfrage und die Antwort der Bundesregierung finden Sie hier.
- Doing gender bei erneuerbarer Heiztechnik in Privathaushalten
Das Forschungsprojekt Soziale, ökologische und ökonomische Dimensionen eines nachhaltigen Energiekonsums in Wohngebäuden stellt sich die Frage, welche Rolle das Geschlechterverhältnis bei der Entscheidung zu erneuerbaren Energiequellen im Privathaushalt spielt. Das aktuelle Arbeitspapier "Intertwined practices of gender and technology: the case of sustainable home heating" nimmt die Beziehung von Geschlecht und erneuerbarer Heiztechnologie in den Blick. So zeigt die Analyse von Werbematerialien für erneuerbare Heiztechniken, dass die unterschiedlichen Angebote als Verkörperungen von gender scripts interpretiert werden können. Symbolische Zweigeschlechtlichkeit sind in die technologischen Objekte eingeschrieben: Heizen ist entweder als "facility management" ausgelegt oder als "home making". Im ersten Fall ist das Heizen eher auf technikbezogenen Objekte wie Boiler reduziert und wird mit symbolisch maskulinen Werten wie abstraktem Technikverständnis und Kontrolle assoziiert. Im zweiten Fall wird das Heizen zu Zimmeröfen in Verbindung gebracht und wird mit symbolisch femininen Werten wie Ästhetik und Wohlbefinden assoziiert. Aktuell ist das "facility management" die dominante Form des Heizens in Deutschland. Im Rahmen des Forschungsprojekts wurden Interviews mit heterosexuellen Paaren mit und ohne Kinder zwischen 30 und 60 Jahren durchgeführt. Das Hauptinteresse lag bei den Entscheidungen über die Anschaffung von Heiztechnologie aus erneuerbaren Energiequellen. Zum Zeitpunkt der Interviews war die Entscheidung über die Anschaffung eher erst kürzlich gefällt worden und reichte nicht länger als ein Jahr zurück. Die Auswertung der Interviews ergab, dass es ineinander greifende Praktiken von "doing gender" und Technik gibt. Die Ergebnisse zeigen verschiedene Aspekte, bei denen Geschlechterzugehörigkeit im Kontext von Heizungstechnik reproduziert wird. In vielen Fällen wurde in den Interwiews Zweigeschlechtlichkeit in einem sehr traditionellen Sinne reproduziert: mehrheitlich wurde der männliche Partner als kompetente Person für das Thema Heizen dargestellt. Der Verantwortung für Information über die Technik als auch für die tägliche Pflege der Heizung wurde ihm zugeschrieben. Dies zeigte sich darin, dass die große Mehrheit der Männer während der Interviews mehr über das Heizsystem erzählten und technisches Vokabular häufiger benutzten als die weiblichen Interviewpartnerinnen. In einigen Fällen boten die Frauen ihren Männern regelrecht eine Bühne für die Präsentation ihrer Technikkompetenz, z.B. indem sie ihnen besondere Fragen stellten. Beide Partner_innen arbeiteten hier also an der Konstruktion des Mannes als Technikexperten zusammen, während die Partnerin als nicht interessiert oder unwissend dargestellt wurde. In einigen Interviews stimmten beide PartnerInnen darin überein, dass der ästhetische Bereich von der Frau besetzt sei.
Das Arbeitspapier lässt sich hier herunterladen.