Umsetzung des Gender Mainstreaming in der nationalen Klimapolitik in Europa
Im Auftrag des European Gender Instituts (EIGE) und gemeinsam mit der Belgischen Organisation Milieu Ltd. haben wir 2012 eine Studie durchgeführt, die die Umsetzung des Kapitel K der Aktionsplattform von Peking in den (zu der Zeit) 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union zum Thema hatte. Analysiert wurde die Umsetzung in Bezug auf Gender und Klima, und hier in erster Linie der Energie- und Transportpolitik. Ein zweiter Teil sollte gute Beispiele in den beiden Themenbereichen in nationaler Politik der Mitgliedsstaaten identifizieren und dafür eine Methodik entwickeln. Teil I wurde in gekürzter von EIGE veröffentlicht, Teil II sollte zur weiteren Bearbeitung des Themas dienen – die dann aber nicht erfolgte.
Mit der Studie wurden vor allem zwei Dimensionen des Ziels K.1 untersucht: die Beteiligung von Frauen an Klimaschutzentscheidungen auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene sowie der Anteil von Frauen in den wissenschaftlichen und technischen Bildungsbereichen, die mit diesen Themen in Zusammenhang stehen.
Zusätzlich wurde recherchiert, welchen Daten und welches Wissen zu Gender und Klima/Energie/Transport in den 27 Mitgliedsstaaten der EU vorhanden ist und wie dieses bei der Entwicklung und Umsetzung der entsprechenden Maßnahmen auf nationaler Ebene integriert wird.
Die Ergebnisse dazu waren mehr als dürftig: selbst in den skandinavischen Ländern, sonst in Bezug auf Gleichstellung der Geschlechter Vorreiter, haben wir keine gender-integrierenden oder auf Genderwissen basierten Maßnahmen und Konzepte gefunden. Sie dazu ausführlicher im Tab „Ergebnisse der Genderanalyse“.
Auch das Wissen lässt sehr zu wünschen übrig. Fundierte Forschungserkenntnisse sind rar, darüber täuschen auch einige geschlechter-disaggregierte Daten, z.B. über die Verteilung der Versorgungsarbeit, den Autobesitz oder den Fleischkonsum, nicht hinweg. Am meisten Daten ließen sich im Bereich der Bevölkerungsbefragungen – zum Klimawandel, zur Energiewende, zum Konsumverhalten etc. – finden. Da bekanntermaßen die Kluft zwischen Aussagen bei Befragungen und dem realen Verhalten groß ist, lassen sich damit zwar Tendenzen feststellen, viel mehr aber nicht.
Ein sehr grober Überblick über beide Teile der Studie – die Indikatoren zur Beteiligung und der Bericht zum Stand des Wissens wurde in Deutsch in einer Kurzfassung veröffentlicht. Es gibt diese auch in Englisch, Französisch und Dänisch. Die Langfassung ist nur in Englisch erhältlich.
Die Recherchen der Umsetzungsmaßnahmen zum Klimaschutz im Bereich Energie und Transport auf nationaler Ebene haben ergeben, dass es keinerlei Maßnahmen in den 27 EU Mitgliedsstaaten gibt, die auch nur einzelne dieser Maßnahmen einer gründlichen Genderanalyse unterzogen haben oder diese gendersensibel geplant haben. Entsprechend wenig gute Beispiele konnten identifiziert werden. Das ist einigermaßen schockierend, gibt es doch nicht nur auf Ebene der EU, sondern auch viele Mitgliedsstaaten eine Gleichstellungs- und Gender Mainstreaming Politik, die genau dies fordert.
Wir haben für unsere vertieften Pilotanalysen Maßnahmen in Ländern ausgewählt, in denen es wenigstens ein Minimum an Daten gab. Dazu wurde zunächst ein Kurzscan anhand der Genderdimensionen durchgeführt. Damit konnte aufgezeigt werden, dass die Maßnahmen auf sehr unterschiedlichen Ebenen Einfluss auf Genderaspekte und Geschlechterverhältnisse nehmen können. Dabei gibt es – wie bereits in der Studie bei der Vorstellung der Dimensionen angemerkt – Überschneidungen bzw. nicht immer ganz klare Abgrenzungen der Dimensionen untereinander. Zusätzlich gibt es einige Dimensionen, die fast bei jeder Maßnahme zum Tragen kommen. Bei der Analyse der Wirkungen von Programmen und Maßnahmen wird – wenn überhaupt – allgemein danach gefragt, ob die Maßnahme Genderwirkungen hat. Das reicht nicht, wenn diese Frage nicht mit einer Methodik unterlegt ist. Die Genderdimensionen können ein Weg sein, zu weiteren Erkenntnissen zu verhelfen.
Im Verkehrsbereich hat sich gezeigt, dass auch die vertieften Analysen nicht weit genug gehen. Hier zeigen sich die Genderdimensionen oftmals erst bei der konkreten Umsetzung auf lokaler Ebene. Dies zu analysieren, war im Rahmen des Projektes nicht gefragt und nicht leistbar.
Im Energiebereich spielt die Dimension der Partizipation eine große Rolle, ebenso wie die Höhe der verfügbaren Einkommen. In beiden Bereichen sind in allen EU Ländern Gendergaps vorhanden. Wie diese im Einzelnen wirken ist davon abhängig, ob es flankierende Maßnahmen zu den energiepolitischen Programmen gibt. Grundsätzlich hat sich gezeigt, dass Verteilungseffekte bei der Planung von Klimaschutzmaßnahmen stärker berücksichtigt werden müssen. So müssen beispielsweise die Kosten für die Einspeisevergütungen von allen Konsument_innen bezahlt werden, während auf der anderen Seite nur diejenigen profitieren, die es sich leisten können in erneuerbare Energien zu investieren.
Wir haben in der Studie nur Klimaschutzmaßnahmen betrachten, keine potenziell schädlichen Subventionen oder andere Maßnahmen, die kontraproduktiv für den Klimaschutz wirken können. Es gibt Hinweise darauf, dass diese Subventionen Bevölkerungsgruppen mit hohem Einkommen oder mit hohem Konsum bevorteilen, und dass sie unterschiedliche Wirkungen je nach Geschlcht haben können. Das betrifft auch verdeckte Subventionen, wie z.B. die Nicht-Berücksichtigung sozialer / externer Kosten. Vor allem in Verkehrsbereich sind einige dieser Effekte von Subventionen offensichtlich. So finanzieren z.B. Pendlerpauschalen die Investitionen in Autokauf mit, ebenso wie Steuerbefreiungen oder Steuererleichterungen für Geschäftsautos Andere Maßnahmen, wie Vignetten, bevorteilen diejenigen, die am meisten fahren (und es gibt Hinweise darauf, dass Gruppen mit hohem Einkommen deutlich mehr fahren als Gruppen mit niederigenm Einkommen).
Deutlich hat die Analyse gezeigt, dass Energie und Transportmaßnahmen Ungleichheiten vergrößern können, wenn sie nicht aus der Genderperspektive analysiert und wenn die Maßnahmen entsprechend konzipiert werden.
Anmerkung
Die Methodik und Ergebnisse der vertieften Genderanalyse sind nicht von EIGE veröffentlicht worden. Wir können hier deshalb nicht in die Tiefe gehen, sondern nur die eher allgemeinen Resultate darstellen.
- Fact Sheet Gender Equality and Climate Change (in Englisch)
- Interview: Gender equality and climate change - we need equal participation, nothing less (in Englisch)
- Council Conclusions on Gender and Climate Change (in Englisch)
- Schlussfolgerungen des Rates der Europäischen Union zu Gender und Klimaschutz (deutsche Übersetzung)