Determinanten der Wechselbereitschaft von Frauen zu Ökostrom
Das Forschungsprojekt „Determinanten der Wechselbereitschaft von Frauen zu Ökostrom. Analyse der Hemmnisse und Motivationsstrategien“ wurde vom 01.09.2009 bis 31.10.2011 gemeinsam mit der Freien Universität Berlin (FUB) durchgeführt. Es war Teil des Verbundvorhabens „Erneuerbare Energien und Ökostrom: Zielgruppenspezifische Kommunikationsstrategien“, mit der Martin Luther Universität Halle Wittenberge (MLU). Während wir uns gemeinsam mit der FUB gezielt mit dem Wechselverhalten von Frauen befasst und erprobt haben, wie sie zu einem Wechsel zu einem Ökostromanbieter zu motivieren sind, hat die MLU Eigenheimbesitzer_innen und deren Bereitschaft, selbst Strom mit erneuerbaren Energien zu erzeugen analysiert und daraus eine Kommunikationsstrategie entwickelt.
Zahlreiche Studien weisen einhellig darauf hin, dass Frauen deutlicher als Männer eine entschiedene Klimaschutzpolitik befürworten und Atomenergie stärker ablehnen, bei ihren Konsumentscheidungen spielen Kriterien der Ethik und Fairness eine entscheidende Rolle. Diese Datenlage suggeriert, dass sie prädestiniert sind für den Bezug von Ökostrom. In der Realität schlägt sich das aber nicht unmittelbar nieder, stehen dem Wechsel doch Hindernisse entgegen, wie die Information über die Möglichkeiten und den Vorgang des Wechselns, der vermeintlich teurere Ökostrom, die Ängste über Versorgungslücken – geschürt durch die öffentlichen Diskussion über Versorgungssicherheit und Preissteigerungen beim Ausstieg aus der Atomenergie. Diese Situation spiegelt sich grundsätzlich in der immer noch geringen Anzahl von Haushalten wider, die zu einem Ökostromanbieter oder zumindest einem Ökostromtarif wechseln.
Vor diesem Hintergrund ermittelte das Forschungsprojekt die Motive und Hemmnisse von Frauen beim Wechsel zu Ökostrom und erprobte und analysierte darauf aufbauend Interventionen, die sie zum Wechsel motivieren und sie befähigen sollten, diesen auch tatsächlich zu vollziehen. Ausgangsbasis waren dabei die folgenden Hypothesen:
1. Frauen sind aufgrund ihrer dezidierten Anti-Atom-Haltung prädestiniert für den Bezug von Ökostrom („Atomausstieg selber machen“);
2. Frauen präferieren andere Informationskanäle als Männer, weshalb die Informationen zu den Möglichkeiten des Stromwechsels unzureichend bei ihnen ankommen;
3. Die qualitative Bewertung der Ökostromangebote ist aufgrund der schwer zu durchschauenden Struktur des Strommarktes und der verschiedenen Labels schwierig und stellt ein Hemmnis für den Wechsel dar;
4. Energie, und vor allem Elektrizität, ist ein männlich konnotiertes Thema, was sich in der häuslichen Arbeitsteilung niederschlägt und auch beim Stromanbieterwechsel wirkt;
5. Das Gender Pay Gap, die geringeren Einkommen von Frauen, in Verbindung mit den höheren Kosten für Ökostrom, halten von Frauen geführte Haushalte vom Wechsel zu einem Ökostromanbieter ab.
Das Projekt wurde in drei Arbeitspaketen durchgeführt. Im Arbeitspaket I – durchgeführt von der Freien Universität Berlin – wurden mit Hilfe eines internetbasierten Fragebogens Informationen über Motive zum bzw. Hinderungsgründe beim Wechsel des Stromanbieters erfasst und ausgewertet. Zusätzlich wurden 15 qualitative Interviews mit unterschiedlichen Gruppen von Frauen durchgeführt, in denen diese zu ihrer Motivation für einen Wechsel des Stromanbieters und wie der Entscheidungsprozess für die Wahl des Stromanbieters verlaufen ist, befragt wurden.
Die Arbeitspakete II und III – durchgeführt von LIFE e.V. – hatten die Entwicklung von Interventionsstrategien und Materialien, die sich dezidiert an Frauen wenden, zum Schwerpunkt. Es wurden Promotorinnen ausgebildet, die dazu ermutigt wurden, selbst weitere potenzielle Multiplikatorinnen zu gewinnen. Ziel der Trainings war es, die Teilnehmerinnen zu befähigen, die Hürden beim Stromwechsel zu überwinden und zudem das erforderliche Wissen und Selbstvertrauen zu erwerben, andere Personen auf den Ökostromwechsel anzusprechen
Motive für den Wechsel zu Ökostrom
Die häufigsten Motive für den Wechsel zu Ökostrom sind die Ablehnung von Atomenergie und der Beitrag zum Umweltschutz. Vor allem für Frauen ist der Einfluss auf gesellschaftliche Entwicklungen ein wichtiges Entscheidungskriterium. Angestoßen werden kann der Wechsel durch Berichte von Bekannten, einen Umzug oder ein empörendes Ereignis.
Wer wechselt?
In unserem Cluster der Online-Befragung sind es vor allem die 30-50 jährigen, die Ökostrom beziehen, die Altersstufe der Teilnehmerinnen an den Trainings war ähnlich und bestätigt damit die Online-Befragung. Der Bildungsabschluss scheint keine Rolle für den Wechsel zu spielen, und es ist nicht ganz eindeutig, welche Rolle das Einkommen tatsächlich spielt. Ebenso uneindeutig ist der regionale Einfluss vom Leben in der Stadt / auf dem Land und im Osten bzw. im Westen. Dagegen spielt das persönliche Umfeld eine große Rolle für den Wechsel zu Ökostrom.
Hinderungsgründe für den Wechsel zu Ökostrom
Bequemlichkeit bzw. der Informationsaufwand sind die wichtigsten Hemmnisse für Frauen, die keine finanziellen Sorgen haben und eigentlich eine ökologische Grundeinstellung haben. Verstärkt wird diese „Erledigungsblockade“ durch die Unübersichtlichkeit des Strommarktes. Fehlende Signale oder Erinnerungen an den Wechsel tragen ebenfalls dazu bei, dass die Entscheidung zu Ökostrom zu wechseln, nicht umgesetzt wird.
Ökostrombezug wird nicht als nachhaltiger Konsum, der Teil der Alltagspraxis ist, empfunden. Im Vordergrund steht der Vertragscharakter von Strom, damit ist die Umsetzung der Entscheidung, zu Ökostrom zu wechseln, ein Akt, der eher als unangenehm empfunden und deshalb verschoben wird. Damit verbunden ist auch das Bedürfnis einer umfassenden Informationsbasis, damit diese Entscheidung nur einmal im Leben getroffen werden muss.
In vielen Paarhaushalten sind die Männer zuständig für Strom, gleichzeitig ist die Umwelteinstellung bei Frauen häufig ausgeprägter. Auch die Bereitschaft, für Ökostrom mehr zu bezahlen, scheint bei Frauen größer zu sein als bei Männern. So kann der Partner ein Hemmnis darstellen, wenn er die ökologische Einstellung nicht teilt oder Mehrkosten fürchtet.
Tendenziell scheinen für Frauen die (möglicherweise) höheren Kosten von Ökostrom kein ausschlaggebendes Hemmnis für den Wechsel zu Ökostrom darzustellen. Eine Ausnahme bilden hier Frauen mit einem sehr niedrigen Einkommen.
Kommunikationskanäle
Frauen bevorzugen persönliche Gespräche um Informationen zu bekommen, sie trauen den Erfahrungen aus dem Bekanntenkreis mehr als den Stromanbietern, wobei es einen deutlichen Unterschied zwischen konventionellen Anbietern und reinen Ökostromanbietern gibt: Letzteren wird deutlich stärker vertraut.
Das Internet ist hoch relevant für die Suche nach Informationen im Kontext des Anbieterwechsels. Wichtig im Internet sind vor allem Anbieterhomepages, Homepages von Umwelt- und Verbraucherverbänden und Vergleichsrechner.
Zusammenhang Geschlecht, sozioökonomischer Status und Anbieterwechsel
Ein niedriger sozioökonomischer Status kann den Wechsel erschweren, dabei können sowohl fehlende finanzielle Ressourcen ein Hindernis darstellen, als auch Zeitknappheit oder mangelnde Informationen. Zeitknappheit spielt eine besonders große Rolle bei mit Haushalt und Beruf doppelbelasteten Frauen.
Kommunikations- und Interventionsempfehlungen
Aus den Ergebnissen der Befragungen und der Erprobung von Interventionen wurden Empfehlungen abgeleitet, wie Frauen besser für einen Wechsel zu Ökostrom angesprochen, motiviert und zum Vollzug des Wechsels befähigt werden können. Hier nur die Gliederung, in voller Länge sind sie in den Berichten nachlesbar (siehe Tab Materialien und Berichte):
- Ökostromwechsel visualisieren und ins Gedächnis rufen
- Empfehlungen für weitere Verbreitung des Multiplikatorinnensystems
- Empfehlungen für Ökostromversorger
- Vorschläge für die Politik und Kommunen
- Voraussetzungen und Empfehlungen für erfolgreiche Interventionen
- Ökostromwechsel! Zehn Schritte zum guten Gewissen
Das Aufgabenheft soll Frauen dabei unterstützen, sich für eine zukunftsfähige Energieversorgung ohne Atomkraft einzusetzen. Sie sollen dazu ermutigt werden, selbst zu einem Ökostromanbieter zu wechseln und als Multiplikatorinnen andere zu diesem Schritt zu bewegen. Denn die Erfahrung zeigt, dass sich die meisten Frauen am besten durch direkte persönliche Ansprache vom Anbieterwechsel überzeugen lassen. Im klassischen Hausaufgabenheftformat werden zehn kleine, leicht zu bewältigende Aufgaben gestellt. Vom Aufspüren von Stromfressern, über Ökostrom ins Gespräch bringen bis hin zum konkreten Wechsel werden Anregungen und Tipps für kleine Schritte mit großer Wirkung gegeben. Wer die zehn Aufgaben gelöst hat, kann sicher sein, einen bedeutenden Beitrag für eine zukunftsfähige Energieversorgung geleistet zu haben.
- Abschlussberichte des Forschungsprojektes "Erneuerbare Energie und Ökostrom. Zielgruppenspezifische Kommunikationsstrategien"
Es gibt eine Langversion unseres Teilvorhabens sowie eine gemeinsamen Kurzversion beider Teilvorhaben.
Der Gesamtbericht des Modul II: Determinanten der Wechselbereitschaft von Frauen zu Ökostrom. Analyse der Hemmnisse und Motivationsstrategien
GemeinsamerKurzbericht des Verbundprojektes: Erneuerbare Energien und Ökostrom: Zielgruppenspezifische Kommunikationsstrategien
Außerdem haben wir einen kurzen Artikel über die Projektergebnisse erstellt.